„Ich mag immer alles an dir. Ich liebe dich – bis zum Ende der Welt.“ Wie eine Beschwörungsformel wiederholen sich diese Worte in jedem der Briefe, die eine sanfte Frauenstimme aus dem Off spricht. Wunderbare Liebeserklärungen, deren Melancholie und Sehnsucht durch den Klang der portugiesischen Sprache eine ganz besondere Wirkung entfalten. Dazu Schwarz-Weiß-Aufnahmen der afrikanischen Landschaft von überwältigender Schönheit. Und der junge Arzt António (Miguel Nunes), der Autor der Briefe – auch er fast zu schön, um wahr zu sein.
„Cartas da Guerra – Letters from War“, der Titel des dritten Spielfilms von Ivo M. Ferreira, der im Wettbewerb der Berlinale zu sehen ist, lässt zunächst einen Kriegsfilm vermuten – doch im Zentrum stehen die Briefe des portugiesischen Militärarztes António, die er aus dem Kolonialkrieg in Angola beinahe täglich an seine schwangere Frau in Portugal schreibt; die Liebe zu seiner Frau und seinem noch ungeborenen Kind ist für ihn überlebenswichtig. „Cartas da Guerra“ basiert auf Hunderten von Briefen des portugiesischen Psychiaters und Schriftstellers António Lobo Antunes, der von 1971 bis 1973 als Militärarzt in Angola stationiert war. Seinen ersten Roman veröffentlichte er 1979; die Briefe erschienen erst nach dem Tod seiner Frau im Jahr 2005 unter dem Titel „Leben, auf Papier beschrieben“.
„Cartas da Guerra“ ist eine gewollte Überforderung der Zuschauer: Auf Szenen mit tatsächlichen Dialogen wird weitestgehend verzichtet; stattdessen dient der lange, fließende Monolog aus romantischen Liebesbriefen, der tiefe Einblicke in die Seelenlandschaft des Autors gewährt, als Kommentar für die teils schönen, teils furchtbaren Bilder aus dem Kriegsgebiet, die durch die Kamera von João Ribeiro in ruhigen Einstellungen eingefangen werden. Bild- und Tonebene des Films existieren unabhängig voneinander und sind so locker miteinander verwoben, dass der Inhalt der Briefe gleichberechtigt neben den Bildern bestehen kann; die Verarbeitung dieser unterschiedlichen Ebenen zur selben Zeit hat die Wirkung einer Meditation.
Während António den afrikanischen Kontinent am Anfang noch wunderbar, schön und magisch findet, enthalten die Briefe zunehmend drastischere Schilderungen der Schrecken des Krieges, die auf der Bildebene allerdings nur punktuell zu sehen sind. Landminen, Explosionen, Erschießungen – wie im Rausch ziehen die Bilder vorbei und entwickeln gerade im Kontrast zu den leidenschaftlichen Briefen eine eigenartige Sogwirkung. Wie in einem Fiebertraum geistert eine elegant gekleidete Frau durch eine Stadtwohnung – seine Ehefrau oder doch nur eine Illusion? Über vieles kann oder will der Autor nicht schreiben; er erkennt, dass sich seine Einstellung verändert hat und er nicht mehr so weiterleben kann wie bisher. Kommunikation erscheint ihm nutzlos; er versinkt zunehmend im Selbstmitleid, wird depressiv und kann sich selbst kaum noch wiedererkennen. Die Vorstellung, nur noch ein Schatten seiner selbst zu sein, ist so unerträglich für ihn, dass er dies seiner Frau nicht zumuten will. In einem bewegenden Brief schreibt er ihr, sie solle sich nicht weiter an ihn gebunden fühlen, und hofft gleichzeitig darauf, sie eines Tages wiederzusehen – wenn nicht in diesem Leben, dann in einer anderen Welt: „Wir haben einander für die Ewigkeit.“
Christina Prasuhn
Die Kritik Post aus Angola erschien zuerst auf cult: Kulturzeitung der bayerischen Theaterakademie cult:online - Kritik.